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Nicht Macht oder Gewalt, sondern Konsens:
Konflikte eigenverantwortlich bewältigen

Gewalt

Gerhard Schwarz (Konfliktmanagement, Wiesbaden 1999) meint, sechs grundsätzliche Lösungsmuster erkannt zu haben, nach denen Konflikte ausgetragen werden:
1. Flucht
2. Vernichtung
3. Unterwerfung/Unterordnung
4. Delegation
5. Kompromiss
6. Konsens
Hinter dieser Reihenfolge steht durchaus Absicht, denn sie bezeichnet einen Weg von ursprünglichen, instinktiven Verhaltensmustern hin zu „reiferen“ Lösungsmodellen, die die Konfliktlösungsressourcen der Beteiligten mehr und mehr fordern.

Flucht und Vernichtung

Fluchtverhalten und Aggressionsverhalten kommen fast immer parallel vor und ergänzen einander. Sie sind archetypisch und liegen auch dem heutigen Menschen noch „im Blut“, wenn man an so affektive Reaktionen wie Fahrerflucht oder Totschlag denkt. Flucht als Reaktion bei Konflikten ist aber auch im Spiel, wenn Menschen versuchen, ein Problem „auf die lange Bank zu schieben“, „unter den Teppich zu kehren“, zu ignorieren oder zu verdrängen. Flucht hat durchaus auch Vorteile. Sie belastet nervlich nicht so unmittelbar wie die Auseinandersetzung mit dem Konflikt. Sie kostet weniger Energie, birgt ein geringeres Risiko und produziert nicht unbedingt einen Verlierer. Wenn (oder weil) mit der Flucht jedoch die Interessen und Bedürfnisse ungestillt bleiben, stellen sich schnell gravierende Nachteile ein. Die Schwierigkeiten kommen in verschärfter Form wieder hoch. Was unter den Teppich gekehrt wurde, beginnt zu modern und verpestet die Luft. Vor allem Beziehungen und gegenseitiges Vertrauen werden langsam und schleichend zerstört. So kommt es oft trotz erster Fluchtreaktionen doch noch zum Kampf. Moderne Kampfrituale werden nur im Extremfall mit der Waffe ausgetragen. Aber auch Mobbing, Rufmord, Entlassung, oder ruinöses Geschäftsgebahren sind Vernichtungsstrategien und enden im Extremfall mit einseitigem oder beiderseitigem Untergang.

Unterwerfung / Unterordnung

Der Verzicht auf die Vernichtung des Gegners führt zu seiner Unterwerfung. Zwar wird die Sklaverei in unseren Breiten öffentlich nicht (mehr) geduldet, zwar reden wir nicht mehr von Herren und Untertanen, aber das Prinzip ist immer noch allgegenwärtig: in der Wirtschaft, in der Familie, in allen hierarchisch-autoritär strukturierten Gesellschaftsformen und Gruppen. Dabei ist hier im Konfliktfall vornherein festgelegt, wer aus dem Konflikt als Sieger hervorgeht: nicht unbedingt der, der im Recht ist, sondern der Stärkere. Selbst im Mehrheitsprinzip demokratischer Abstimmungen finden wir noch den Unterwerfungsgedanken, denn in ihr haben Minderheiten kaum eine Chance zur Konfliktlösung auf gleicher Augenhöhe.

Delegation

Die Methode, Konflikte zwischen zwei Menschen oder zwei Gruppen durch Delegation an eine höhere Instanz (z. B. ein Gericht) entscheiden zu lassen, hat zwei Voraussetzungen:
1. Im jeweiligen Konfliktfall gibt es eine richtige und eine falsche Lösung.
2. Die angerufene höhere Instanz findet die richtige Lösung.

Zum ersten Mal kommt also der Streitschlichter ins Spiel, der neutrale Dritte, der an diesem Konflikt nicht selber beteiligt sein darf. Vorteil des Verfahrens, auch im Hinblick auf die Unterwerfung des Gegners, ist die gemeinsame Verbindlichkeit von allgemeinen Prinzipien, die Einführung von Objektivität, Sachlichkeit und (Rechts)-Kompetenz.

Doch selten gibt es in Konflikten ein absolutes Richtig und Falsch. Und oft kann die höhere Instanz selbst bei bestem Willen keine richtige Lösung finden, was die Identifikation mit der Lösung (für beide Seiten!) nicht eben fördert. Delegation hat ferner den großen Nachteil, dass die Verantwortung für die Bearbeitung des Konflikts abgegeben und damit ein Stück Mündigkeit aufgegeben wird.

Kompromiss

Der Kompromiss ist die Antwort auf die Erkenntnis, dass es nicht nur ein Richtig und ein Falsch gibt. Er ist ein Teilkonsens, wenn auch oft kein glücklicher. Teileinigung ist immer auch Teilverlust. In der Sprache der Mediation: Positionen stehen im Mittelpunkt, nicht die zugrunde liegenden legitimen Interessen. Deshalb ist auch beim Kompromiss die individuelle Identifikation mit der Lösung gering. Der Kompromiss ist gegenüber den bisherigen Lösungsmodellen attraktiver, bleibt jedoch häufig notwendiges Übel. Nicht umsonst spricht man häufig vom „faulen“ Kompromiss.

Konsens

Wenn es im Konflikt zwei Ansichten gibt, die beide aus ihrer jeweiligen Perspektive „wahr“ sein können (oder ihre Berechtigung haben), dann versagen alle bisher genannten Lösungsinstrumente. Es beginnt die eigenverantwortliche Suche nach einer Lösung, die nicht beide Seiten zur Hälfte, sondern beiden Seiten möglichst ganz gerecht wird. Der Konsens, wie er (nicht nur) in der Mediation gesucht wird, liegt nicht auf der Ebene der Positionen, sondern der Wünsche und Interessen. Gerhard Schwarz spricht von einem „dialektischen Entwicklungsprozess“, in den sich die Kontrahenten begeben müssen, dessen Resultat eine Lösung ist, die beiden Seiten Rechnung trägt und die nicht zur Verdrängung, zur Vernichtung, zur Unterordnung, zur Konfliktdelegation oder zum unbefriedigenden Kompromiss führt. Für Schwarz ist der Konsens die höchstentwickelte Form der Konfliktlösung zwischen zwei Parteien. MediatorInnen verstehen sich als Menschen, die Konfliktparteien darin unterstützen, miteinander und eigenverantwortlich einen Konsens zu erarbeiten.

Konflikthaltung

Immer noch empfindet ein Großteil der Menschen Konflikte als etwas Unangenehmes und verdrängt sie oder begegnet ihnen mit Macht und Richtspruch. Seit den 70er Jahren jedoch (mit angestoßen von der 68er Bewegung) wurde eine etwas „gelassenere“ Haltung zu Konflikten gewonnen. Kritik, Auflehnung und eine gewisse Lust am Streiten führten zu einem steigenden Selbstbewusstsein im Umgang mit Konflikten. Seither gehören in unserer Gesellschaft Meinungsstreit, Auseinandersetzungen und Abstimmungsprozesse zwischen konkurrierenden und kooperierenden Gruppen sowie eine Vielfalt an Werten, Zielen, Interessen und Erwartungen zum Alltag demokratisch verfasster Gesellschaften und Organisationen. Die polaren Konflikthaltungen „Konfliktscheu“ und „Streitlust“ finden ihren Ausgleich in der „Konfliktfähigkeit“. Bei der Konfliktfähigkeit werden Aggressionen als Energien angesehen und positiv umgeleitet, Konflikte werden als Hilfe verstanden, sich von Überkommenem zu lösen, und Unterschiede gelten als Lebensnotwendigkeit und Bereicherung des Lebens.

Konflikte können sowohl nutzen als auch schaden. Ihre Auswirkungen hängen sehr davon ab, wie die betroffenen Parteien damit umzugehen vermögen. Konflikte können Chancen sein, wenn sie keine Gewinner und Verlierer produzieren, sondern den Konsens im Blick haben. Sind „konfliktfähige“ Parteien in einen Konflikt involviert, können Innovationen gefördert, Selbsterkenntnisse gewonnen, Unterschiede bearbeitet und Beziehungen gefestigt werden.

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